IPCC-Bericht: Sofortige globale Trendwende nötig

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Der Klimawandel führt in Deutschland u.a. zu vermehrter Trockenheit.
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Der Sechste Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC liegt nun vollständig vor. Demnach ist es nach wie vor möglich, die globale Erwärmung auf 1,5°C bis 2100 zu begrenzen. Dafür sind allerdings eine sofortige globale Trendwende sowie tiefgreifende Treibhausgas-Minderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren nötig.

Bei Beibehaltung der aktuellen Politik und der aktuellen Maßnahmen weltweit steigen die Treibhausgasemissionen demnach auch in Zukunft weiter an (siehe Abbildung 1 am Ende des Texts). Allerdings zeigt der Bericht auch, dass es technologisch und ökonomisch nach wie vor möglich wäre, die langfristige globale Erwärmung entsprechend des Pariser Klimaabkommens von 2019 auf 1,5°C bis 2100 zu begrenzen. Dafür sind allerdings eine sofortige globale Trendwende sowie tiefgreifende ⁠Treibhausgas⁠-Minderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren nötig (d.h. in Energiesystemen, Städten, Land- und Forstwirtschaft, ⁠Landnutzung⁠, Gebäuden, Verkehr und Industrie). Besonders kostengünstige und nachhaltige Technologien sind im Energiesektor verfügbar, allen voran Solar- und Windenergie (siehe Abbildung 2 am Textende).

Einige Klimaschutzszenarien des 6. ⁠IPCC⁠ Sachstandberichtes verlassen sich auf eine äußerst kostenintensive und unsichere groß-skalige Anwendung von Geoengineering-Technologien wie ⁠CCS⁠ (Carbon Capture and Storage, Abscheidung und Speicherung von CO₂) und CDR (Carbon Dioxide Removal, dauerhaftes Entfernen von CO₂ aus der ⁠Atmosphäre⁠). Dies ist aus Sicht des Umweltbundesamts äußerst riskant, denn so erhöht sich bereits heute die Gefahr, dass umfassende Treibhausgas-Minderungen mit verfügbaren Minderungsoptionen im Vertrauen auf unsichere zukünftige Technologien unterlassen werden (sogenannte ⁠Mitigation⁠ Deterrence).

Weltweit verbesserte Rahmenbedingungen wie politische und regulatorische Instrumente, internationale Zusammenarbeit, Marktinstrumente (z.B. CO₂-Bepreisung), Investitionen, Innovationen, Technologietransfer, Aufbau von Know-How sowie klimafreundliche Lebensstile bieten Möglichkeiten, um die notwendigen System-Transformationen im Einklang mit nachhaltiger Entwicklung und globaler Gerechtigkeit zu gestalten.

Armutsbekämpfung und eine gesicherte Energieversorgung könnten ohne signifikante Emissionssteigerungen erreicht werden. Die allerwichtigsten Optionen liegen dabei in der Nutzung von Sonnenenergie und Windkraft sowie im Mobilitäts-, Gebäude- und Ernährungs-Sektor, aber auch besonders im Schutz der Ökosysteme (vor allem Schutz der globalen Wälder und Moore).

WMO⁠-Klimabericht vom 9. Mai 2022

Das neueste ⁠Klima⁠-Update der ⁠UN⁠-Weltwetterorganisation (WMO) zeigt, dass die globale Jahresdurchschnittstemperatur mit 50%iger Wahrscheinlichkeit bereits in den nächsten fünf Jahren die Marke von 1,5 °C mindestens einmal überschreiten wird. Daraus folgt zwar nicht, dass die 1,5 °C-Grenze ab diesem Zeitpunkt kontinuierlich überschritten wird, in den Folgejahren kann der Durchschnittswert auch wieder niedriger ausfallen. Allerdings geht der Bericht davon aus, dass Überschreitungen der 1,5 °C-Marke mit der Zeit immer wahrscheinlicher werden und die globalen Temperaturen weiter ansteigen. Das jährliche Update der Weltwetterorganisation WMO nutzt das Fachwissen international anerkannter Klimawissenschaftler und die besten Vorhersagesysteme führender Klimazentren auf der ganzen Welt.

Mehr Informationen (englisch): https://public.wmo.int/en/media/press-release/wmo-update-5050-chance-of-global-temperature-temporarily-reaching-15%C2%B0c-threshold

Die Kernaussagen des IPCC-Berichts

  • Die THG-Emissionen sind seit 2010 mit etwa 1,3% pro Jahr zwar langsamer angestiegen als im vorherigen Jahrzehnt (2,1% pro Jahr); damit sind sie aber noch immer höher als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Zunehmende wirtschaftliche Aktivitäten in allen Sektoren führen weiterhin zu mehr Emissionen, trotz zunehmender Klimaschutzmaßnahmen. Das Risiko, 1,5°C globale Erwärmung langfristig zu überschreiten, ist damit größer als noch im 1,5°-Sonderbericht von 2018.
  • Die historischen kumulativen Netto-CO₂-Emissionen zwischen 1850 und 2019 belaufen sich auf etwa vier Fünftel (also 80%) des gesamten Kohlenstoffbudgets (zentraler Schätzwert etwa 2900 Gt CO₂), um die globale Erwärmung mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit auf 1,5°C zu begrenzen. Das nach 2019 noch verbleibende globale CO₂-Budget beträgt ca. 510 Gt CO₂ für 1,5°-Pfade bzw. 890 Gt CO₂ für 2°-Pfaden. Allerdings übersteigen schon allein die Emissionen aus der bestehenden und derzeit geplanten Infrastruktur für fossile Energien bereits das globale CO₂-Budget für 1,5°C. Mit den bei der UN-Klimarahmenkonvention (⁠UNFCCC⁠) bis 11.10.2021 eingereichten nationalen Minderungsplänen (NDCs) für 2030 wird eine globale Erwärmung von 2,1°C bis 3,4°C bis 2100 erwartet.
  • Unterschiedliche THG-Emissionen pro Kopf spiegeln die Einkommensungleichheiten in den Weltregionen und zwischen Privathaushalten wider. Die 10 % reichsten Privathaushalte, von denen sich etwa zwei Drittel in entwickelten Ländern befinden, tragen 34% bis 45% zu den THG-Emissionen bei.
  • Für 1,5°C-Pfade müssen die globalen CO₂-Emissionen gegenüber 2019 um 48% bis 2030 und um 80% bis 2040 sinken und bis Anfang der 2050er Jahre in allen Sektoren und Regionen auf Netto-Null Emissionen abfallen (Netto-Null ⁠CO2⁠ bedeutet, dass alle durch Menschen verursachten CO₂-Emissionen im gleichen Zeitraum durch technologische, biologische und/oder geochemische Reduktionsmaßnahmen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden müssen und somit die CO₂-Bilanz der Menschheit netto, d.h. nach den Abzügen durch natürliche und künstliche Senken, Null beträgt).
  • Entscheidende Maßnahmen sind die Transformation des Energiesystems hin zu einem Anteil von 100% an Erneuerbaren Energien, das Beenden von Subventionen für fossile Brennstoffe, Emissionsreduktionen im Industrie- und Gebäudesektor, u.a. durch kompaktere Bebauung, und Schaffung von CO₂-Senken durch Grün- und Wasserflächen, der Ausbau der Niedrigemissionstechnologien im Verkehrssektor und nachfrageseitige Minderungsoptionen im Land- und Forstsektor (insbesondere durch Verminderung des Fleischkonsums).
  • Nachfrageseitige Lösungsansätze, z.B. im Verkehrs- und Gebäudesektor sowie im Ernährungssystem, könnten 40-70% zur Emissionsreduzierung bis 2050 beitragen. Sie sind außerdem mit der Verbesserung der Lebensqualität für alle vereinbar (z.B. durch gesündere Ernährung).
  • In den meisten 1,5-2°C Szenarien wird die Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR) und ein teilweise beträchtlicher Umfang an Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) angenommen. Die Einführung von CDR und CCS in großem Maßstab stößt jedoch auf erhebliche Machbarkeits- und Nachhaltigkeitsprobleme und ist in absehbarer Zukunft äußerst kostenintensiv (siehe Abb. 2). Aufgrund der Hauptsätze der Thermodynamik sind die energetischen Kosten auch praktisch nicht reduzierbar. Die einzigen weit verbreiteten CDR-Optionen bestehen derzeit in der Stärkung natürlicher Senken (z. B. durch Wiederaufforstung, Agroforstwirtschaft und verbesserte Waldbewirtschaftung). Die modellierte Höhe von negativen Emissionen – und damit unsere Abhängigkeit von unsicheren oder wenig nachhaltigen CDR-Optionen - variiert stark in den Modellen. Insgesamt gilt: Je größer und früher die Emissionsminderungen, desto kleiner der Bedarf an CDR-Optionen.
  • Für den ⁠Klimaschutz⁠ sind erhebliche Investitionen notwendig: Für 2 °C Erwärmung liegt der Investitionsbedarf gemittelt über die Dekade von 2020-2030 um den Faktor drei bis sechs höher als das derzeit vorhandene Niveau. Eine beschleunigte finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer durch Industrieländer und andere, auch private Quellen ist ein entscheidender Faktor für die Verstärkung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen, v.a. für einkommensschwache gefährdete Regionen.
  • Die Investitionen aus öffentlicher und privater Hand in fossile Energien sind immer noch höher als die Investitionen in Klimaschutz und Anpassung. Die kostengünstigsten Minderungsoptionen mit dem größten Klimaschutzpotential sind Solar- und Windenergie (siehe Abb. 2). Investitionen in fossile Ressourcen oder Infrastrukturen sind zudem mit großen Verlustrisiken (stranded assets) verbunden. Allein schon die zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteile sind bei 2°C-Pfaden größer als die Minderungskosten. Minderungsmaßnahmen für 2⁰C-Pfade verlangsamen das globale Wirtschaftswachstum nur sehr geringfügig: Im Jahre 2050 wäre das globale Bruttosozialprodukt um 1,3-2,7% kleiner als durch das theoretisch erwartete Wachstum auf mehr als 200%. Anders formuliert: Die reale Weltwirtschaft im Jahre 2050 wäre etwa so groß wie die theoretische im Jahr 2049 in einer hypothetischen Welt ohne ⁠Klimawandel⁠. Bei diesen Berechnungen sind die vermiedenen Kosten und Verluste ausvermiedenen Klimawandel-Schäden und vermiedenen Anpassungsmaßnahmen sowie der Zusatznutzen von Klimaschutz noch gar nicht berücksichtigt.

Der dritte und letzte Teil des Sechsten Sachstandsberichtes des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) mit dem Titel „Mitigation of Climate Change“ („Minderung des Klimawandels“) wurde im April 2022 veröffentlicht. Damit liegt nun eine umfassende wissenschaftliche Bewertung der Fortschritte in der Begrenzung globaler Treibhausgasemissionen und des Spektrums an verfügbaren Minderungs- und Handlungsoptionen in allen Sektoren vor. Wegen der formellen Zustimmung aller IPCC-Mitgliedsländer haben die Berichte in der internationalen und nationalen Klimapolitik politisch ein großes Gewicht.

Der Bericht zum Nachlesen (englisch): https://www.ipcc.ch/report/sixth-assessment-report-working-group-3/.

Grafiken zum 3. Teilbericht des 6. IPCC-Sachstandsberichts

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  1. Mögliche globale THG-Emissionspfade
  2. Potenzieller Beitrag zur Nettoemissionsminderung 2030 für verschiedene Bereiche des Energiesektors
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 IPPC  Internationaler Klimaschutz  Klimapolitik